Dank gigantischer KI-Fortschritte stehen wir vor der größten Transformation der Arbeitswelt, die es je gegeben hat, sagt Prof. Dr. Yasmin Weiß. Warum sie gerade erst richtig Fahrt aufnimmt und bei welchen Fähigkeiten trotzdem (noch) keine Maschine der Welt dem Menschen Konkurrenz macht, erklärt die Zukunftsexpertin hier.
Prof. Dr. Yasmin Weiß
vor 13 Tagen
Arbeitslos durch KI? Welche menschlichen Super-Skills unersetzbar bleiben

Gerade ist der Future of Jobs Report 2025 des World Economic Forums erschienen. Die gute Nachricht lautet: KI wird bis 2030 kein "Job Killing Monster" sein. Im Gegenteil: Bis 2030 wird es zu einem weltweiten Nettowachstum von 78 Millionen Arbeitsplätzen kommen.
Gleichzeitigkeit von Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit
Jedoch macht der Bericht auch deutlich, dass es zu signifikanten Kompetenz- und Anforderungsverschiebungen kommen wird. Wenn wir Menschen nicht bereit sind, neue Qualifikationen zu erlernen, werden wir in gefährlichem Ausmaß einen Trend sehen, der heute schon zu beobachten ist: Die Gleichzeitigkeit von Fachkräftemangel und Arbeitslosigkeit.
Das macht die Frage für uns so relevant: Welche Tätigkeiten können wir Menschen auch in mittelfristiger Zukunft deutlich besser ausführen als Maschinen? Auf was können wir bauen, wenn wir unsere Beschäftigungsfähigkeit erhalten und unsere Teamfähigkeit mit Technologie ausbauen möchten?
Was sind unsere humanen Super Skills, die uns Menschen so wertvoll machen?
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Handwerkliches und Feinmotorisches
Das „moravsche Paradox“ besagt, dass Aufgaben, die uns Menschen sehr leicht fallen, Robotern ziemlich schwer fallen, weil niedrigrangige feinmotorische Fähigkeiten sehr hohe Rechenressourcen erfordern. Bereits ein zweijähriges Kind kann problemlos reife Erdbeeren pflücken, für Roboter ist es schwer, diese feinmotorische Fingerfertigkeit und Beweglichkeit gut nachzuahmen. Ein geschickter Handwerks-Azubi kann in einem engen Raum ein altes Waschbecken abmontieren und ein neues anbringen, ein Roboter tut sich hier weiterhin schwer.
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Ethisches und Moralisches
Algorithmen besitzen per se keine Werte, sondern übernehmen das Wertegerüst ihrer Entwickler. Ethisches Beurteilen von Situationen, Abwägen von verschiedenen Argumenten sowie erfahrungsbasiertes Entscheiden unter Rückgriff auf universelle menschliche Werte wie Würde, Chancengleichheit und Nächstenliebe: Das sind Stärken, die uns Menschen vorbehalten sind.
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Intuitives und Unlogisches
In vielen Tätigkeitsfeldern ist Intuition gefragt, auch wenn sie der Datenlage oder rationalen Logik widerspricht. Beispielsweise ist oftmals das Relevanteste in einem Gespräch zwischen Menschen nicht nur das Gesagte, sondern das Unausgesprochene. Und kulturelle Transformationsprojekte in Unternehmen sind meist nicht nur mit Logik und rationalen Argumenten voranzutreiben, sondern mit Intuition und empathischem Fingerspitzengefühl für die Stimmung in der Belegschaft.
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Interdisziplinäres und Kontextuales
Eine KI ist sehr gut darin, definierte Aufgaben zu übernehmen, nicht jedoch, verschiedene Disziplinen zusammen zu führen, Kontextinformationen einzubeziehen und auf dieser Basis kreative, holistisch bewertete neue Lösungen zu finden. Ein diverses, interdisziplinäres Team aus Menschen durchdringt eine Aufgabenstellung anders als eine künstliche Intelligenz.
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Vertrauenstiftendes
Menschen vertrauen Menschen immer noch mehr als Technologie. Überall, wo Vertrauen zwischen Menschen sowie ein besonderes Maß an Empathie besonders wichtig sind, präferieren Menschen Menschen. Das wird auch zukünftig so sein.
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Emotionales
In allen Tätigkeitsfeldern, in denen emotionaler Mehrwert geschaffen wird, ist der Mensch kaum zu ersetzen. Ein aufrichtiges Lächeln zwischen zwei Menschen, eine sanfte Berührung, das vermittelte Gefühl von Wertschätzung, Warmherzigkeit und Geborgenheit: das können wir Menschen deutlich besser als Maschinen.
Super-Skills + Tech-Kompetenz
Wenn diese humanen Super-Skills erstens miteinander kombiniert und zweitens mit Technologiekompetenz zusammengeführt werden, entstehen nachhaltig wertvolle und schwer zu ersetzende Qualifikationsprofile. Hier zwei konkrete Beispiele:
- Ein Zahnarzt, der sich mit ausgeprägter Feinmotorik im Mundraum des Patienten bewegt, empathische Worte findet, wenn der Patient Angst vor der Behandlung hat und neueste medizinische Technologien sinnvoll anwenden kann, ist schwer durch einen Zahnarzt-Roboter zu ersetzen.
- Eine Lehrerin, die das Potenzial ihrer Schüler erkennt, ihnen aufmerksame Zugewandtheit und Warmherzigkeit im Unterricht schenkt und neue Technologien wie künstliche Intelligenz für individualisierbare Lernpfade einsetzt, ist kaum durch rein digitale Lernformate zu ersetzen.
Das Prinzip der Zukunft: Mensch mit Maschine
Das Grundprinzip am Arbeitsmarkt der Zukunft lautet also nicht "Mensch gegen Maschine", sondern "Mensch mit Maschine". Es geht um einen komplementären Paartanz aus Mensch und Maschine, bei dem stärkenbasiert mal der eine, mal der andere führt.
Denn eine richtig gute Arbeitswelt ist nicht nur produktiv, sondern auch menschlich. Wir haben jetzt die Chance, mit Hilfe von Technologie eine Arbeitswelt zu schaffen, die deutlich cooler, aber auch deutlich wärmer ist. Dafür braucht es humane Super-Skills.
Zur Person
Prof. Dr. Yasmin Weiß ist Expertin für KI, Digitalisierung und deren Einfluss auf die Arbeitswelt von morgen. Sie ist Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg und arbeitet dort schwerpunktmäßig zu den Themen Future of Work und Future Skills. Sie ist außerdem mehrfache Aufsichtsrätin, Keynote-Speakerin sowie Gründerin des Start-Ups Yoloa.