Lars Behrendt

vor 1 Tagen

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Die Innovations-Lüge: Warum mehr Tools weniger Fortschritt bedeuten

Uns stehen immer mehr Technologien und Tools zur Verfügung. Das müsste uns produktiver, innovativer – und auch glücklicher machen. Oder nicht? Unternehmer und Innovations-Experte Lars Behrendt erklärt, warum wir häufig das Gegenteil erleben und was es für echte Innovation stattdessen braucht.
Die Innovations-Lüge: Warum mehr Tools weniger Fortschritt bedeuten
"Der Meetingwahn und übertriebenes Mikromanagement ersticken Kreativität im Keim", sagt Lars Behrendt | Foto: Reinhard Rosendahl

In einer Welt, die von technologischem Fortschritt und ständiger Innovation geprägt ist, stehen wir vor einem seltsamen Paradoxon: Trotz einer Fülle an Tools, Hacks und künstlicher Intelligenz (KI) sinkt unser tatsächlicher Output, während die Frustration steigt. Viele fühlen sich in einem Hamsterrad gefangen, in dem sie trotz ausgeklügelter Management-Systeme kaum greifbare Ergebnisse erzielen. Dieses Phänomen wirft tiefgreifende Fragen über unsere moderne Arbeitsweise und deren Auswirkungen auf Produktivität und Innovation auf. 

 

Zunächst müssen wir uns ehrlich fragen: Wo sind denn die bahnbrechenden Innovationen, die unser Leben wirklich verbessern? In einer Zeit, in der wir täglich von neuen Apps, Gadgets und Softwarelösungen überflutet werden, scheinen tatsächlich transformative Entwicklungen selten geworden zu sein. Stattdessen sehen wir uns einer Flut von inkrementellen Verbesserungen gegenüber, die oft mehr Komplexität als Mehrwert bringen. 

Wir erleben eine Fragmentierung der Aufmerksamkeit

Ein Hauptgrund dafür liegt in den Strukturen und Prozessen unserer Arbeitswelt. Der ausufernde Meetingwahn, Bürokratie, Silodenken und übertriebenes Mikromanagement ersticken Kreativität und Motivation im Keim. Ironischerweise sind viele Tools und Methoden, die eigentlich zur Effizienzsteigerung entwickelt wurden, Teil des Problems.

 

Multi-Projekt-Management-Systeme, die Übersicht und Kontrolle bringen sollen, führen häufig zu einer Fragmentierung der Aufmerksamkeit und einer nur noch oberflächlichen Bearbeitung vieler Projekte, ohne dass eines wirklich vorankommt. Darüber hinaus hat unsere ständige Verfügbarkeit durch digitale Kommunikationstools die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verwischt. Das Ergebnis: Wir fühlen uns permanent überfordert.  

 

Was wir jetzt brauchen, ist ein Paradigmenwechsel. Statt immer mehr Tools und Technologien einzuführen, sollten wir uns auf die Kernprinzipien effektiver Arbeit besinnen: klare Visionen, greifbare Ziele, Aufmerksamkeit auf ein einziges Thema sowie klare Deadlines, die Prokrastination verhindern.  

Ständige Unterbrechungen sind Innovations-Killer

Wir müssen wieder Räume schaffen, in denen Mitarbeitende ungestört an komplexen Problemen arbeiten können, ohne ständig unterbrochen zu werden. In unserem Unternehmen haben wir deshalb zum Beispiel die Zahl der Meetings drastisch reduziert – zugunsten hochkonzentrierter Arbeitsphasen.

 

Denn genau die braucht es, um echte Innovation zu kreieren. Anstatt Tools als Allheilmittel zu betrachten, setzen wir sie gezielt nur dort ein, wo sie menschliche Fähigkeiten ergänzen und verstärken können. Zum Beispiel für einen schnellen ersten Entwurf eines Designs oder einer Konstruktion. Der Fokus liegt jedoch eher darauf, den Prozess zu unterstützen. Tatsächliche Innovation konnte eine KI zumindest bis heute noch in keinem unserer Projekte hervorbringen. 

Führungskräfte sind besonders gefordert

Ich bin überzeugt, dass wir zukünftig wieder mehr Arbeitskulturen entwickeln müssen, die echte Innovation fördern, indem sie den Menschen wirklich in den Mittelpunkt stellt – mit seinen Bedürfnissen, Fähigkeiten und seinem Potenzial. Führungskräfte sind dabei besonders gefordert, um verkrustete Strukturen aufzubrechen und eine dafür offene Umgebung zu schaffen. 

 

Der Weg zu dieser produktiveren und erfüllenderen Arbeitswelt ist nicht einfach. Aber er ist unvermeidlich. Nur wenn wir die Art, wie wir arbeiten, grundlegend überdenken und anpassen, können wir das volle Potenzial unserer Mitarbeitenden und Talente ausschöpfen und wieder bahnbrechende Innovationen hervorbringen, die unser Leben wirklich verbessern. Dabei wird uns leider kein Tool der Welt helfen. 

 

 

Zur Person 

Lars Behrendt ist Diplom-Ingenieur und einer der führenden Innovationsentwickler überhaupt. Er ist Gründer und Geschäftsführer des Granny&Smith Innovationslabors und begleitet Dax-Konzerne wie Startups auf dem Weg zu innovativeren Ideen, Prozessen und Produkten.

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