Mental Load ist die unsichtbare Care-Arbeit, die nie aufhört – und oft auch nie besprochen wird, sagt Katrin Fuchs. Warum auch die Vereinbarkeitsexpertin lange damit haderte, offen über die mentale Last zu sprechen, und was hilft, das Tabu zu brechen.
Katrin Fuchs
vor 13 Tagen
Was ich über Mental Load gerne gewusst hätte, bevor ich Mutter wurde

Ich erinnere mich noch genau an den Moment, als ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass etwas nicht stimmt. Ich saß auf der Couch, während mein Partner entspannt auf dem Boden mit unserem Baby spielte. Eigentlich ein schöner Moment.
Aber in meinem Kopf war es laut: Haben wir genug Windeln? Was gibt es morgen zu essen? Warum habe ich die Einladung für den Kita-Elternabend noch nicht beantwortet?
Ich war müde – nicht nur körperlich, sondern vor allem mental. Und das Seltsame daran: Niemand außer mir schien diese Last zu spüren.
Mental Load? Nie gehört.
Damals wusste ich nicht, dass es dafür einen Begriff gibt: Mental Load. Diese unsichtbare Arbeit, die nie aufhört. Es geht nicht nur darum, Dinge zu erledigen, sondern darum, ständig an alles zu denken. Die To-Do-Liste im Kopf, die nie leer wird.
Ich dachte, ich wäre einfach nicht organisiert genug. Oder dass es eben so ist, wenn man Mutter wird. Heute weiß ich: Das ist nicht normal, und ich bin nicht allein. Vier Dinge hätte ich damals schon gerne gewusst.
1. Es ist okay, Dinge nicht alleine zu tragen.
Ich hatte das Gefühl, es sei meine Verantwortung, alles zu koordinieren – schließlich war ich ja die Mutter. Aber Familie bedeutet Teamarbeit. Es ist nicht „meine Aufgabe“, den Alltag zu managen, nur weil ich eine Frau bin.
2. Hilfe anfragen ist nicht dasselbe wie gerechte Verteilung.
Anfangs habe ich meinen Partner oft um Hilfe gebeten: „Kannst Du bitte die Spülmaschine ausräumen?“ oder „Denkst Du daran, den Müll rauszubringen?“ Aber das löste das Problem nicht. Denn es bedeutete, dass ich trotzdem diejenige war, die alles im Blick hatte. Heute weiß ich, dass es um Verantwortung geht – nicht nur um Mithilfe.
3. Die perfekte Mutter gibt es nicht.
Ich wollte alles richtig machen. Eine liebevolle Mutter sein, eine gute Partnerin, erfolgreich im Beruf. Aber das Streben nach Perfektion hat mich ausgelaugt. Es ist okay, wenn nicht immer alles klappt. Kinder brauchen keine perfekte Mutter, sondern eine glückliche.
4. Es ist wichtig, darüber zu sprechen.
Ich habe lange gebraucht, um mit meinem Partner offen über Mental Load zu sprechen. Ich dachte ja, es läge an mir, dass ich es nicht schaffe. Aber als ich es endlich tat, war er überrascht – und ich erleichtert. Er hatte die Last, die ich trug, gar nicht gesehen, weil ich sie nie angesprochen hatte und, noch wichtiger, weil wir traditionell sozialisiert waren, was uns erst dann im ganzen Ausmaß klar wurde. Obwohl mein Partner deutlich mehr Care-Arbeit leistete als sein eigener Vater, waren wir von Gleichberechtigung meilenweit entfernt.
Wenn ich heute zurückblicke, wünschte ich, ich wir hätten die Mental-Load-Falle bereits gekannt und umschifft. Perfektion ist eine Illusion, und niemand muss alles alleine schaffen.
Was ich anderen Müttern sagen möchte
Falls Du Dich in diesen Zeilen wiedererkennst: Du bist nicht allein, und es ist nicht Deine Schuld. Mental Load ist ein strukturelles Problem, und es beginnt damit, dass wir es sichtbar machen – in unseren Partnerschaften, in Gesprächen mit anderen Eltern, in der Gesellschaft. Du leistest so viel, jeden Tag. Und es ist okay, wenn Du mal einen Moment für Dich brauchst. Nicht alles muss perfekt sein – und Du auch nicht.
Mein Praxis-Tipp, um Mental Load als Eltern sichtbar und im ersten Schritt besprechbar zu machen: der Mental Load Test der Initiative Equal Care.
Zur Person
Katrin Fuchs ist Vereinbarkeitsmanagerin sowie feministische Coach für Paare und Familien. 2024 initiierte die Diplom-Betriebswirtin und frühere pwc-Managerin gemeinsam mit Franziska Büschelberger die Kampagne "Unpaid Care Work", um unbezahlte Care-Arbeit in der Business-Welt sichtbarer zu machen. Sie ist Mutter zweier Kinder und lebt mit ihrer Familie am Bodensee.