Kristina Kreisel

vor 5 Tagen

10 Min. Lesedauer

„Mein Vater war mein erster Mentor – heute führe ich seine Firma”

Dina Reit und ihr Vater haben geschafft, wovor es vielen Unternehmer:innen graut: Sie hat seine Firma übernommen. Hier erzählt die 31-Jährige, wie sie die Nachfolge organisiert haben, warum es für sie ein Privileg ist, mit ihren Eltern zu arbeiten – und was Führen mit Wachstumsschmerz zu tun hat.
„Mein Vater war mein erster Mentor – heute führe ich seine Firma”
"Nachfolge ist schwer. Du kannst Dir nur wenige Fehler erlauben", sagt Dina Reit. In den kommenden zwei Jahren stehen in rund 190.000 der 3,2 Millionen Familienunternehmen in Deutschland Generationswechsel in der Geschäftsführung an

STRIVE: Dina, Du bist seit zwei Jahren Geschäftsführerin des Unternehmens, das Dein Vater vor fast zwanzig Jahren gegründet hat. Wie fühlt sich das für Dich an? 

 

Dina Reit: Relativ normal (lacht). Geschäftsführerin hört sich so offiziell an. Und Geschäftsführer:in von Audi zu sein, klingt für mich nach etwas völlig anderem als das, was ich mache. Ich bin operativ stark eingebunden, war heute schon bei einem Kunden, mache von Personalplanung über Warenbestand fast alles. Als ich vor fünf Jahren eingestiegen bin, konnte ich mir das nicht vorstellen, aber inzwischen habe ich mich daran gewöhnt und der Job macht mir Spaß. 

 

Dein Vater und Du seid eines der Nachfolge-Duos, von denen die Wirtschaft dringend mehr bräuchte. Bei rund 190.000 Familienunternehmen steht ein Generationswechsel an. Ihr habt dafür ein Überlappungsmodell gewählt. Sprich: Zuerst habt Ihr die Geschäftsführung gemeinsam gemacht, dann ist Dein Vater sukzessive in den Hintergrund, Du in den Vordergrund getreten. Wo steht Ihr in diesem Prozess aktuell? 

 

Mein Vater arbeitet immer noch in Teilzeit bei uns, 20 Stunden die Woche. Perspektivisch wird er sich bis Ende 2025 komplett zurückziehen. Seit 2022 führe ich die Firma als Geschäftsführerin. 

 

Wie lange braucht man für eine vernünftige Unternehmensübergabe? 

 

Ich kenne Modelle, die das in einem Jahr machen. Das finde ich zu kurz. Es hängt aber auch davon ab, mit welchem Vorwissen die oder der Nachfolger:in kommt. Ich wusste nach meinem Studium weder, wie man eine Rechnung schreibt, noch wie unsere Maschinen technisch funktionieren. Deswegen habe ich als Trainee angefangen, mir nach und nach die verschiedenen Bereiche draufgeschafft, bevor ich Geschäftsführerin wurde. Wenn man dieses Basiswissen schon hat, mag die Übergabe auch in zwei Jahren klappen. 

 

"Nach zwei Monaten hätte ich fast das Handtuch geworfen"

 

Ihr seid nun fast am Ende Eures Fünf-Jahres-Plans. Würdest Du die Übergabe nochmal so organisieren? 

 

Absolut. Nachfolge ist schwer. Es ist sehr viel Verantwortung, die man sehr früh annimmt. Du kannst Dir nur wenige Fehler erlauben, auch wenn sie am Anfang normal sind. Mein Vater hat mir extrem geholfen, in diese Rolle reinzuwachsen. Außerdem sehe ich es als Privileg, mit meinen Eltern arbeiten zu dürfen. 

 

Glaubst Du das "Fehlerbudget" ist für Frauen noch knapper als für Männer? 

 

| Foto: SK Laser GmbH

Nicht unbedingt. Ich arbeite in einer absoluten Männerdomäne. Wenn ich zum Branchentreffen der Laserhersteller gehe, bin ich die einzige Frau. Aber ich habe mich immer ernstgenommen und nie diskriminiert gefühlt in dieser Bubble.

 

Natürlich habe ich mir zu Beginn auch Sorgen gemacht, wie ich als junge Frau bestehen kann, aber meine Erfahrung ist: Wenn Du das Fachwissen hast, ist es egal, ob Du eine Frau oder ein Mann bist. Inzwischen sehe ich es oft sogar als Asset, dass ich eine Frau bin. Mein Social Media Marketing und Personal Branding funktionieren natürlich besser, weil ich diejenige bin, die auffällt wie ein bunter Hund und nicht wie 80 Prozent der Menschen aussehe, die sich in meiner Branche bewegen. 

 

Welche Herausforderungen hat Euer Nachfolgemodell auf der anderen Seite? Ich kann mir vorstellen, dass Du sicher auch manchmal gedacht hast: Ey, jetzt lass mich doch einfach mal machen, Papa… 

 

Am Anfang ging meinem Vater nichts schnell genug, und ich war völlig überfordert. Erst als wir uns eine Beraterin an die Seite geholt haben, die mit uns einen strukturierten Prozess aufgesetzt hat, ging es. Nach den ersten zwei Monaten hätte ich fast das Handtuch geworfen. Und auch danach gab es immer wieder Momente, wo ich fix und fertig vor meinem Vater saß und dachte: Ich schaffe das nicht. Erst nach einem Jahr habe ich verstanden, dass ich sowohl die Kapazität als auch die Kraft habe, das Unternehmen zu führen. 

 "Erfahrung ist ein unendlicher Schatz"

 

Du bist gut ausgebildet, sehr erfolgreich in dem, was Du machst. Du könntest überall arbeiten. Warum hast Du Dich entschieden, das Unternehmen weiterzuführen? 

 

Ich wollte eigentlich mal Kuratorin im Museum werden (lacht). Im Städel Museum in Frankfurt habe ich ein Praktikum gemacht und gedacht: Das ist jetzt mein Weg! Als ich dann nur Word-Dokumente bearbeitet habe, habe ich aber schnell gemerkt, wie abhängig man in der Kunstszene ist von Entscheidungen und Geld anderer. Man kann sehr viel nicht entscheiden. Das kannte ich vom Arbeiten meines Vaters anders. Deswegen habe ich entschieden, Unternehmerin zu werden. 

 

Wie würdest Du Dein Verhältnis zu Deinem Vater beschreiben? 

 

Mein Vater war mein erster Mentor. Wir hatten schon immer ein gutes Verhältnis. Aber so nah, wie wir uns jetzt sind, das ist noch mal ein anderes Level. Wir erleben neben den ganz normalen familiären Dingen – wie: Wie geht’s der Oma und was macht ihr am Wochenende? – auch beruflich alle emotionalen Höhen und Tiefen gemeinsam. Das schweißt zusammen. Ich habe dadurch auch den Wert der Erfahrung stärker schätzen gelernt. 

 

Inwiefern?

 

Erfahrung ist ein unendlicher Schatz. Wenn Du noch nie jemanden eingestellt hast, ist das schwierig. Noch schlimmer ist es, wenn Du jemanden entlassen musst. Als ich das das erste Mal tun musste, habe ich in der Nacht davor nicht geschlafen. Meinen Vater lässt das auch nicht kalt, er weiß mit diesen Situationen aber umzugehen. Deswegen ist es bis heute so, dass, wenn ich aus einem für mich sehr emotionalen Termin komme, ich ihn meistens erst mal anrufe und er dann sagt: Dina, jetzt komm erstmal runter, Du musst das auch so und so sehen… und nächste Woche könnt Ihr ja nochmal darüber sprechen, dass… Jemanden zu haben, der mir in diesen Situationen aus tiefsten Herzen den besten Rat gibt, den er geben kann, das ist schon super! 

 

Ein Unternehmen zu führen, ist sowas wie die Königsdisziplin von Leadership. Zahlen zeigen aber, dass immer weniger Menschen führen wollen. Wieso bist Du gerne Chefin und was rätst Du Menschen, die gerade darüber nachdenken? 

 

Ich kann es tatsächlich nur empfehlen. Das, was ich am allerbesten finde, ist der Wirkungsgrad, den man als Führungskraft hat. Ich kann meinen Job so gestalten, wie ich es möchte. Natürlich bin ich auch von Dingen wie der Frist für den Jahresabschluss abhängig, aber ich kann selbst entscheiden: Mit wem will ich arbeiten? Auf welche Messen gehen wir? Oder gehen wir vielleicht nur noch auf eine Messe, aber machen dafür mehr Social Media Marketing? Diesen Freiraum genieße ich total. 

 

Gleichzeitig verstehe ich, dass Führen Angst macht. Man kann nicht alles von Anfang an, das ist normal und das hat viel mit Wachstumsschmerz zu tun. Gerade eine Firma zu führen, ist kein Ponyhof und ja, man hat schlaflose Nächte, aber auch ja, die positiven Aspekte überwiegen für mich ganz eindeutig! 

 

 

Zur Person  

Dina Reit (31) hat vor fünf Jahren im Unternehmen ihres Vaters Christoph Kollbach als Trainee angefangen. Heute ist sie Geschäftsführerin und will den Mittelständler in die Zukunft führen. Sie lebt mit ihrem Mann in Wiesbaden.

 

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