Anais Bock
vor 7 Tagen
5 Anzeichen für eine toxische Führungskultur - und was hilft
Es gibt Dinge, die einem sofort ins Auge springen: eine ungleich verteilte Arbeitslast, Diskriminierung, extrem hierarchische Strukturen, die ein Miteinander verhindern. Doch eine toxische Führungskultur? Die tarnt sich unter den Dingen, die in Unternehmen schief laufen, oft geschickt hinter höflichen E-Mails und einem vermeintlich intakten Teamgeist. Vorne rum heißt es dann zum Beispiel Firmenjubiläum, hinten rum eher Quiet Quitting. Fünf Anzeichen sind dabei aus meiner Erfahrung typisch.
5 Anzeichen für eine toxische Führungskultur
1. Misstrauen und Kontrolle
Führungskräfte haben ein Auge auf jede Kleinigkeit. Jede Entscheidung wird dreimal hinterfragt und auf prozessualer Ebene verschlimmbessert. Und das, obwohl Du eigentlich genau für das Thema eingestellt wurdest.
2. Fehlende Transparenz
Entscheidungen fallen in Hinterzimmern und Informationen werden wie Staatsgeheimnisse gehütet. Überraschungen sind hier an der Tagesordnung – Du verlierst den Anschluss und fühlst dich abgehängt.
3. Kritik, Kritik, Kritik
Der Satz “Darf ich Dir ein Feedback geben?” ist gleichbedeutend mit “Du hast etwas falsch gemacht und wir werden es jetzt breittreten". Anerkennung und Wertschätzung sind Mangelware.
4. Politisches Manövrieren
Dinge sind nicht so, wie sie aussehen oder klingen. Aussagen sind nicht belastbar. Um eine Entscheidung herbeizuführen, müssen komplexe, unausgesprochene Mechanismen eingesetzt werden.
5. Fehlende psychologische Sicherheit
Feedbackrunden gibt es zwar, doch sie sind oft reine Alibi-Veranstaltungen, bei denen echtes Feedback unerwünscht ist. Kritik führt zu Repressalien, was Misstrauen und Kontrolle weiter verstärkt.
Kommen Dir diese Dinge bekannt vor?
Dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Du dich in einem Arbeitsumfeld mit einer toxischen Führungskultur bewegst.
Diese Toxizität hat ihren Preis – für Mitarbeitende wie Führungskräfte: Stimmung und Motivation sinken. Mitarbeiter:innen verlieren die Lust, geben innerlich auf, und im Büro herrscht ein Durchgangsverkehr von Kündigungen. In so einer Umgebung vorprogrammiert: Burnout. Und das Unternehmen? Auch das leidet natürlich und verliert nicht nur seine Talente, sondern auch seine Leistungsfähigkeit und Innovationskraft.
Was bei toxischer Führungskultur hilft
Die gute Nachricht ist: Es ist möglich, eine solche toxische Führungskultur zu durchbrechen. Wie? Der Schlüssel liegt darin, ungesunde Verhaltensweise zu erkennen und anzugehen statt pauschal von „toxischen Menschen“ zu sprechen und zu resignieren. Fünf Regeln helfen dabei.
Regel 1: Sag’s offen und ehrlich
Die meisten Probleme lassen sich durch eines beheben: miteinander reden. Und zwar nicht dieses „Ich-höre-zu-und-bereite-schon-meine-Antwort-vor“, sondern echtes Zuhören. Ursula Porth, CHRO der All for One SE, empfiehlt beispielsweise: „Auf das gemeinsame Ziel besinnen und dann den Spiegel vorhalten." Dieser Mut lohnt sich, auch wenn es schwerfällt, sagt sie.„Ich wurde immer belohnt, wenn ich es in brenzligen Situationen gewagt habe, die Dinge offen anzusprechen.”
Regel 2: Schaffe Nachvollziehbarkeit durch Transparenz
Transparenz schafft Vertrauen. Wenn Du Entscheidungen nachvollziehbar machst, nimmst Du Menschen die Unsicherheit – und das Gefühl, das nächste „große Geheimnis“ könnte sie direkt betreffen. Bei Kiwifalter, einem Düsseldorfer Family Hub, das sich für moderne Work-Life-Models einsetzt, bilden Katja Kaltenbach und Stephanie Maus die Doppelspitze. Sie leben in ihrem Unternehmen Transparenz auf der Überholspur: Hier kann zum Beispiel jede:r Mitarbeitende auf den Kontostand gucken.
Regel 3: Lebe Wertschätzung als Grundhaltung
Wertschätzung kostet nichts, doch ihr Effekt ist unbezahlbar. Viele wissen das, doch nur wenige leben es. Lara Kufferath, CEO der GKD Group, gehört zu den wenigen, die ich kenne, die das konsequent tut. Anfangs erntete sie skeptische Blicke für ihre Wertschätzungskultur – doch sie blieb beharrlich. Heute ist Wertschätzung fest in der Unternehmenskultur der Firma verankert.
Kufferath verfolgt dabei das Prinzip „Kontrolliere, um zu loben“. Die meisten kontrollieren, um Fehler zu finden, dabei ist es doch die Aufgabe jeder Führungskraft, Erfolge zu würdigen und bei Bedarf konstruktives Feedback zu geben. Echte Wertschätzung erfordert Kontinuität und Nähe. Nur wer wirklich in Kontakt bleibt, kann authentische Anerkennung zeigen.
Regel 4: Zeig Vertrauen, gebe Verantwortung
Anka Weidling, Geschäftsführerin des Familienunternehmens Weicon, durchbrach das alte Muster, Wissen zurückzuhalten, um Macht zu sichern. Statt nach Schuldigen zu suchen, entschied sie sich für einen anderen Weg: Sie übertrug ihren Führungskräften mehr Verantwortung und erhöhte gleichzeitig die Ansprüche. Diese Strategie förderte mehr Transparenz und führte zu einem kulturellen Wandel mit Führungsmitgliedern, die frischen Wind, neue Ideen und Ansätze mitgebracht haben. Heute ist das Führungsteam agiler, transparenter und von fast 0 zu 35 Prozent weiblich.
Regel 5: Feedback als Blumenstrauss
Feedback ist wichtig. Das wissen wir. Aber nicht jedes Feedback oder Retro-Format ist für jedes Team passend. Kiki Radicke, Head of People and Culture bei Adacor, empfiehlt deshalb etwa, mehrere Formate als Optionen zu präsentieren. “Denn wenn man ein Format verordnet, wird es nur halbherzig umgesetzt.“ Führungskräfte kennen ihre Teams und können Kultur und Kontext einschätzen und sensibel damit umgehen, was sich sicher anfühlt und was wen am besten abholt.
Zur Person
Anaïs Bock ist CEO der Unternehmensberatung Let’s Work Magic. Seit 2012 arbeitet sie mit Führungsteams von Scaleups, Mittelständlern sowie DAX-Unternehmen. Ihr Kernthemen: Führung, Transformation und die Frage, welche Muster und Masken fallengelassen werden müssen, um hochperformante Teams zu führen. Bock hat bereits in sieben Ländern gelebt, heute wohnt sie mit ihrer Familie in München.