Kristina Kreisel

vor 5 Tagen

9 Min. Lesedauer

3 Tipps, wie Dein Urlaub wirklich erholsam wird

Halb Deutschland freut sich gerade auf den Sommerurlaub. Was so verlockend im Kalender geblockt ist, fühlt sich manchmal jedoch gar nicht so erholsam an. Psychologin Linda-Marlen Leinweber erklärt, woran das liegt, was dagegen hilft und warum das Handy oft der größte Erholungskiller ist.
3 Tipps, wie Dein Urlaub wirklich erholsam wird
Adhoc aus dem Hamsterrad im Kopf aussteigen? Gelingt auch Expertin Linda-Marlen Leinweber nicht immer | Foto: Sebastian Kickinger

STRIVE: Vielen Menschen fällt es wahnsinnig schwer im Urlaub abzuschalten. Kennst Du das auch von Dir?

 

Linda-Marlen Leinweber: Ja, auf jeden Fall. Gerade die ersten Tage fällt es mir schwer, von dem schnellen Takt auf den Ruhemodus umzuschalten.


Woran liegt das?

 

Linda: Ich glaube, dahinter können ganz unterschiedliche Gründe stecken. Was mir oft begegnet, ist Folgendes: Wenn wir eine sehr stressige Phase hinter uns haben oder sogar im Dauerstress leben, kann unser Organismus schwer von einem auf den anderen Tag umschalten. Das Hamsterrad ins uns läuft weiter und die Ruhe fühlt sich komisch, fast quälend an. Der Geist sucht nach der Beschäftigung, die er sonst auch bekommt.

"Unser Gehirn liebt Routinen"

 

Das könnte erklären, warum viele im Urlaub ihre Mails checken, obwohl ihr Arbeitgeber das überhaupt nicht erwartet.

 

Linda: Genau. Der Griff zum Smartphone und das Checken der Mails ist dann fast eine Erleichterung – zumindest im ersten Moment. Unser Gehirn liebt Routinen. Wenn wir es gewohnt sind, jeden Tag als Erstes unsere Mails zu öffnen, dann will der Kopf das auch im Urlaub.

 

| Foto: Sebastian Kickinger

Was kann noch dazu führen, dass man nicht abschalten kann?


Linda: Ein anderer Grund kann sein, dass wir uns stark über das definieren, was wir im Job leisten. Es ist Teil unseres Selbstbildes geworden. Gehen wir der Arbeitstätigkeit nach, fühlen wir uns gebraucht, wichtig und produktiv. Manchmal ist dieses Leistungsmotiv so stark, dass es auch im Urlaub nach „Futter“ ruft.

 

Wie schaffe ich es, dem zu widerstehen? Was sind Deine drei wichtigsten Tipps für echte Erholung?

 

Linda: Erstens solltest Du Strukturen schaffen, die es Dir wirklich erlauben "off" zu sein. Also zum Beispiel: Abwesenheitsnotizen einrichten, Vertretungen organisieren und vorausschauend vorarbeiten, damit Du einen Puffer hast. Im Idealfall solltest Du den Laptop zu Hause lassen und die Arbeitsmails nicht aufs Handy weiterleiten.

 

Was hilft noch?

 

Linda: Ein Ortswechsel hilft der Psyche meist auch, den Modus zu wechseln. Es muss keine Fernreise sein, aber im Urlaub etwas anderes zu sehen als die eigenen vier Wände, macht den Switch zum Abschalten leichter.

"Ein Ortswechsel hilft der Psyche, den Modus zu wechseln."

 

Und was ist Dein dritter Tipp?

 

Linda: Hilf Deinem Körper, die Anspannung der Arbeitswochen abzubauen. Viele Menschen schaffen es im Alltag nicht, ihren Kortisolspiegel, also ihr Stresshormon, gesund zu regulieren – und starten unentspannt in den Urlaub.

 

Was ich empfehlen kann: sanfte tägliche Bewegung wie Spaziergänge, Schwimmen oder Radfahren, Yoga oder Atemübungen und Meditationen. Baue Dir kleine, gesunde „Urlaubsroutinen“, die Dir gut tun! Das hält das Gehirn gesund „busy“ und Du wirst wahrscheinlich weniger über die Arbeit nachdenken.

 


 

 

Gesund busy“ klingt gut. Was ist ein No-Go, wenn der Kopf zur Ruhe kommen soll?

 

| Foto: Sebastian Kickinger

Linda: Zu viel Zeit am Bildschirm. Dazu zählen nicht nur der Laptop und das Smartphone, sondern auch der Fernseher. Das ist extrem anstrengend für unsere Augen. Auch das unnatürliche Blaulicht stresst uns oft unbewusst.

 

Wenn ich all das beachte: Wie wichtig ist dann noch die Länge der Auszeit?

 

Linda: Früher dachte man immer, es müssen mindestens zwei Wochen Urlaub sein, damit wir einen Erholungseffekt messen können. Mittlerweile geht man eher davon aus, dass viele kleine Pausen besser sind als wenige lange. Denn sind wir aus dem Urlaub zurück, kommen wir meist schnell in das Arbeitsmuster zurück und die Erholung ist bei vielen Menschen weg, unabhängig davon, wie lange die Auszeit war.

 

Ist Aktivurlaub oder einfach mal am Strand liegen erholsamer?

 

Linda: Das ist typabhängig. Aber immer in Action zu sein und auch im Urlaub immer dem nächsten Adrenalinkick hinterher zu jagen, macht es dem Nervensystem schwer, in den Parasympathikus zu wechseln. Den Parasympathikus, unseren „Ruhenerv“, brauchen wir aber, um uns zu erholen, Reserven aufzuladen, gut zu verdauen und zu schlafen.

 

Absolutes Nichtstun muss es trotzdem nicht sein. Es gibt genügend Tätigkeiten, die nicht „Nichtstun“ sind und trotzdem helfen, in das parasympathische System zu wechseln – wie Spaziergänge, Meditation, Atmen, Massagen, Singen, Tanzen, eine Kälte-Kur und vieles mehr. Ab und zu ist es aber auch mal gut, wirklich die Beine hochzulegen und sich der Reizreduktion hinzugeben. Das erleben wir im Alltag viel zu selten und haben es oft schon verlernt.

 

Letzte Frage, was ist Dein Akut-Tipp, wenn ich im Urlaub bin und merke, dass meine Gedanken permanent zur Arbeit abschweifen?

 

Linda: Gedanken aufschreiben funktioniert meiner Erfahrung nach sehr gut. Damit sind sie „gesichert“ und der Kopf braucht sie nicht immer wieder hochzuholen. Wenn immer wieder neue Gedanken kommen, definiere ein Zeitfenster am Tag, in dem die Gedanken kommen dürfen. Das ist Deine „Gedankenzeit“. Hier hörst Du hin und lässt sie zu. Vielleicht willst Du immer wieder was aufschreiben, vielleicht auch nicht.

 

Der Effekt ist: Wenn wir uns die Gedanken erlauben, wird es tendenziell leiser in uns. Verbieten wir sie uns, werden die Gedanken lauter. Die begrenzte Zeit schützt Dich davor, dass Grübeln und Gedankenkreisen ausarten. Und, immer wenn ein Gedanke zu einer anderen Zeit kommt, kannst Du Dir sagen „Danke, dass Du da bist, lieber Gedanke, ich höre Dich, Deine Zeit kommt aber später“. Du kannst das Zeitfenster auch so legen, dass Du danach eine andere Aktivität einplanst, damit Du wirklich abbrechen musst. Nur vor dem Einschlafen würde ich nicht empfehlen. Da wäre eine Dankbarkeitsübung à la „Was waren heute drei kleine Dinge, die mich happy gemacht haben?“ besser.

 

 

Zur Person

Linda-Marlen Leinweber (35) ist Psychologin und systemische Organisationsberaterin. Der Fokus ihrer Arbeit liegt auf der Prävention. Sie sagt: Ich will nicht so lange warten, bis die Panikattacken, Ängste oder das Burnout da sind – ich will Menschen davor schon stark machen“. Auf Linkedin und Instagram folgen Linda-Marlen Leinweber mehr als 250.000 Menschen. 2024 ist sie Mutter einer kleinen Tochter geworden. Sie lebt mit ihrer Familie in Österreich.

 

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