Woran liegt's? Demographische Ursachen scheiden jedenfalls aus. Laut Statista überwiegt derzeit nicht nur leicht der Anteil der weiblichen Bevölkerung, auch bei den Hochschulabsolvent:innen haben Frauen die Nase vorn. Das heißt: Grundsätzlich gibt es genügend gut ausgebildete Frauen.
Woran liegt's dann? Denken Frauen zu klein, sind ihre Ideen keine millionenschweren Investments wert? Die Ursachen sind sicherlich vielschichtiger.
Ohne Female Founders, keine female Unicorns
Ein renommiertes Wirtschaftsmagazin prägte vor einiger Zeit im Zusammenhang mit der Startup Szene die Begriffe „boy bands“ und „Herrenzirkel“. Vor allem der Begriff „Herrenzirkel“ scheint antiquiert und unpassend für ein junges, innovatives Unternehmertum. Letztlich brachte die Berichterstattung aber plakativ auf den Punkt, was weder für eine moderne Gesellschaft noch ein visionäres Unternehmertum adäquat ist: Laut Studie der Boston Consulting Group (BCG) werden lediglich vier Prozent der deutschen Startups ausschließlich von Frauen, aber 86 Prozent ausschließlich von Männern gegründet. Nur zehn Prozent haben einen Gender Mix im Gründerteam. Ausgewertet wurden 15.000 Jungunternehmen und 27.500 Gründer:innen.
Im 19. Jahrhundert hätten diese Zahlen wenig überrascht. Aber im 21. Jahrhundert und bezogen auf westliche Industrienationen – da staunt man!
Bei etablierten Unternehmen sieht es nicht besser aus: Der Frauenanteil in Vorständen der 100 größten börsennotierten Unternehmen Deutschlands liegt derzeit bei 10 Prozent laut BCG. Trotzdem enttäuscht die Gender Gap Startup besonders, denn diese jungen, innovativen Unternehmen, die ganze Märkte und Industrien revolutionieren müssten Gender Parität eigentlich besser drauf haben, als die Unternehmen ihrer Väter und Großväter. Viele Startups treibt die Vision an, Leistungen oder Produkte durch Digitalisierung leichter zugänglich zu machen und damit letztlich zu demokratisieren. Wäre doch klasse, wenn man sich neben der Demokratisierung des Konsums auch die Gender Parität mit auf die Fahne schreiben würde. Gender Parität hat nichts mit Feminismus a la Alice Schwarzer zu tun. Hier geht es ganz konkret um ein ungenutztes Potenzial an Talenten mit erheblicher ökonomischer Bedeutung.
Der Blick ins Ausland verrät, dass es auch anderswo mit der Parität hapert. In Großbritannien und Frankreich herrscht ein ähnliches Bild und der 2020 Women in US Technology Leadership Report der Silicon Valley Bank offenbart, dass lediglich 14 Prozent der US-Startups einen weiblichen CEO haben. Damit herrschen global suboptimale Grundvoraussetzungen für female Unicorns.
Frauen, mögt ihr kein Tech?
CB Insights hat das globale Unicorn Universe in 15 Kategorien bzw. Branchen geclustert: Diese reichen u.a. von Künstliche Intelligenz, E-Commerce, Fintech, Internetsoftware & Services bis hin zu Mobile und Auto & Transport. Die meisten Unicorns haben also in irgendeiner Form mit Technologie zu tun. Sind Frauen deshalb so rar? Machen sie einen Bogen um Tech?
Laut B2B SaaS Venture Capital Unternehmen Notion Capital, werden nur 21 Prozent der B2B-Einhorn-Tech-Unternehmen in Europa und den USA von Frauen geführt. Allein den Unternehmen den schwarzen Peter zuzuschieben, greift aber zu kurz. Tatsächlich scheinen Frauen andere Themen zu bevorzugen. So studieren in Deutschland gut doppelt so viele Männer als Frauen in MINT-Fächern (Quelle: Statista). Anstatt Informatik oder Mechatronik studieren sie eher Rechtswissenschaft, Germanistik, Psychologie und Pädagogik. Geschlechterstereotype spielen also weiterhin eine Rolle und Psychologen sind sich einig: Wer glaubt, dass Geschlechterbilder überholt sind, liegt falsch. Frauen gelten weithin als empathische, emotionale, musische Menschen und Männer als rational, technisch interessiert und erfinderisch. Diese tief verwurzelte Haltung beeinflusst natürlich den Frauenanteil bei Tech-Einhörnern. Notion Capital fand auch heraus, dass Frauen bei B2B-Tech-Unicorns nicht nur seltener anzutreffen sind, sondern auch nur halb so lange bleiben. Die durchschnittliche Betriebszugehörigkeit weiblicher Führungskräfte betrage nur 1,78 Jahre, die ihrer männlichen Kollegen 2,66 Jahre. Zudem würden Frauen nur 34 Prozent der gesamten Belegschaft stellen. Damit technologische Zukunftsbranchen von Gender-Diversitiy profitieren können, ist es daher notwendig, Frauen verstärkt für Tech-Themen zu begeistern und bewusst zu akquirieren. Die 51-jährige Facebook-Co-Geschäftsführerin Sheryl Sandberg trifft daher mit ihrer "Lean in" Initiative den Nerv.
Venture Capitals, mögt Ihr keine Frauen?
Der female Founder Monitor offenbart: Nur 5,2 Prozent der Frauen-Teams haben bereits eine Million Euro oder mehr erhalten –bei den Männer-Teams sind es hingegen 27,8 Prozent. Und das obwohl manche behaupten, weibliche Gründerinnen brächten einen um 35 Prozent höheren Return on Investment. Beim Venture-Capital-Fonds First Round Capital war die Performance von Startups mit weiblicher Führung sogar um 63 Prozent besser. Trotz besserer Performance kein Geld? Wird etwa nach dem Motto men-promote-men finanziert? Ein Prinzip, das psychologisch durchaus erklärbar ist: Man investiert dann, wenn man dem Team zutraut, ein erfolgreiches Unternehmen aufzubauen. Und einem Gegenüber, mit dem wir uns selbst identifizieren, vertrauen wir instinktiv eher. ‚Männlich und weiß‘ investiert demnach unbewusst eher ins entsprechende Pendant. Unter dieser Prämisse erscheint dann auch der Satz von Herrn Maschmeyer, mit der er in einer TV-Sendung ein Investment für das weibliche Gründerteam Ooia (ein Startup für Periodenunterwäsche) ablehnte, weniger irritierend: „Es ist kein typisches Männerprodukt, ich empfehle, eine Frau als Investorin zu gewinnen.“ Sicherlich weiß Herr Maschmeyer, dass 50 Prozent der Konsumenten:innen weiblich sind und Männer auch in Frauenprodukte investieren dürfen. Auf meiner Suche nach den Ursachen für die Gender Gap Unicorn, habe ich auch weibliche Gründerinnen befragt. Seit über zehn Jahren unterstütze ich Startups bei ihrer Öffentlichkeitsarbeit und helfe ihnen, Bekanntheit zu erlangen. Dabei habe ich natürlich viele Gründerinnen kennengelernt. Die meisten sehen sich übrigens keineswegs als benachteiligt. Viele haben mir gesagt, bei Investoren zählten in erster Linie Überzeugungskraft und ein gutes Konzept. Also ist´s möglich, das mit den female Unicorns und ich beende diesen Artikel mit dem Aufruf: Frauen, ran an den Speck – das nächste Einhorn trägt Periodenunterwäsche!
Über die Autorin
Miriam Piecuch, Juristin und Gründerin der auf Technologie spezialisierten Boutique-PR-Agentur public performance mit den Schwerpunkten Mobility, Health und E-Commerce startete ihre Karriere zunächst mit Lifestylethemen, eine typische Frauenbranche, bevor sie sich vor gut 10 Jahren sich auf Wirtschafts- und Tech-PR spezialisierte.