Warum die Motivation die Ideensuche beeinflusst
Das persönliche Motiv hat einen erheblichen Einfluss auf die Ideen-Suche. Was ist das eigene Ziel? Möchte ich nur ein Side Project umsetzen oder ein Unternehmen gründen, mit dem ich langfristig meinen Lebensunterhalt bestreiten kann? Es ist enorm wichtig, das eigene Motiv zu hinterfragen, um Klarheit zu erlangen. Mit einem klaren Motiv und einem eindeutigen Ziel vor Augen gelingt auch die Umsetzung besser.
Vor allem die eigene Persönlichkeit ist dafür ausschlaggebend. Was sind meine individuellen Interessen und Stärken und gibt es eine Idee, wo ich diese ausleben kann? Wofür habe ich eine Leidenschaft oder kann ich eine Leidenschaft entwickeln, was kann ich vielleicht sogar besser als andere? Nach diesen sehr individuellen Eigenschaften zu gehen, hilft bei der späteren Umsetzung enorm. Das hat noch einen anderen Vorteil: In schwierigen Zeiten hilft einem die eigene Leidenschaft für das Thema, nicht aufzugeben und weiter am Ball zu bleiben.
Wir haben uns damals bei Familonet beispielsweise dazu entschieden, dass wir ein schnell wachsendes Start-up mit einem skalierenden digitalen Geschäftsmodell entwickeln möchten, um weltweit expandieren zu können. Dafür brauchten wir externes Kapital durch Investoren und es gab eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen später verkauft werden würde. Das Bedürfnis, vermehrt zeitlich und räumlich unabhängig zu arbeiten, hat sich erst später stärker ausgeprägt. Wir drei Mitgründer haben diese Motive jährlich abgeglichen, um nicht in gegensätzliche Richtungen zu arbeiten, da sich persönliche Motive und Lebensplanungen über die Zeit natürlich stark verändern können.
Wie kann ich eine Idee entwickeln?
Um aus einer vagen Idee neue Ansätze oder innovative Produkte zu entwickeln, helfen Kreativitätstechniken wie das Systematic Inventive Thinking (SIT). Um daraus anschließend ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, helfen Modelle wie das Lean Canvas, das an das bekannte Business Model Canvas von Osterwalder und Pigneur angelehnt ist.
Manchmal reicht es aber auch, aufmerksam zu beobachten und zuzuhören. Neugier und Aufmerksamkeit sind unserer Erfahrung nach oft viel wirksamere Instrumente, als sich in tagelange Brainstormings oder aufwendige Studien zu verbeißen.
Bei Familonet haben wir uns der Ideen-Suche von vielen Seiten genähert und vor allem geschaut, wo wir in unserem Alltag Probleme oder Herausforderungen sehen, für deren Lösung es eine Zahlungsbereitschaft gäbe. Dazu sind wir mehrmals eine typische Woche von Montag bis Sonntag im Kopf durchgegangen. Wir haben uns dazu jeden einzelnen Schritt vom Aufwachen übers Zähneputzen bis zum Wochenendbesuch unserer Eltern bildlich vorgestellt. Mein Mitgründer Michael hat damals erzählt, dass er davon genervt ist, jedes Mal Bescheid geben zu müssen, wenn er von einem Heimatbesuch wieder gut zu Hause angekommen ist. Das Problem kannte ich auch, der: „Ich bin gut angekommen”-Anruf war auch bei mir allgegenwärtig. Nachdem wir eine Mini-Umfrage bei unseren Freunden und Bekannten gestartet haben, war uns relativ schnell klar: Das Problem haben nicht nur wir, es lohnt sich also, dafür eine Lösung zu finden. Unsere Idee war es dann, eine Smartphone-App zu entwickeln, mit der Familienmitglieder automatisch an vorher eingestellten Orten, wie zum Beispiel der Schule oder dem Zuhause, ein- und ausgecheckt werden. Statt eines lästigen Telefonanrufs wurde eine automatische Push-Mitteilung versendet, zum Beispiel „Emma ist an der Schule angekommen“.
Was ist, wenn ich mehrere Ideen habe?
Ich habe tatsächlich die Erfahrung gemacht, dass es in den meisten Fällen nicht die eine Idee gibt. Meistens gibt es unterschiedliche Ansätze beziehungsweise Abwandlungen einer Idee. Die Herausforderung besteht dann darin, so schnell wie möglich herauszufinden, welches Konzept den größten Kundennutzen hat und welches Geschäftsmodell am besten funktioniert. Einen guten Testlauf kann man z. B. mithilfe einer Landingpage oder der Entwicklung eines Minimum Viable Products (MVP) machen, um noch tiefer ins Detail gehen und die konkreten Mechaniken des geplanten Produkts oder Angebots überprüfen zu können. Über die Zeit verändert sich die initiale Idee dann relativ schnell und kann immer wieder durch A/B-Tests verglichen werden, bei dem die Original-Idee gegen eine leicht abgewandelte Idee vertestet wird. Ziel ist es immer, eine hohe Scheitergeschwindigkeit beizubehalten, d.h. Ideen auch schnell wieder zu verwerfen, wenn diese nicht funktionieren.
Und was, wenn es meine Idee schon gibt?
Es ist natürlich nahezu unmöglich, das Rad komplett neu zu erfinden. Das ist aber nicht weiter schlimm. Die eigentliche Frage lautet: Was unterscheidet die eigene Idee von all den anderen? Was ist euer unfairer Vorteil, mit dem ihr euch vom Wettbewerb absetzen könnt? Beispiele dafür sind:
Keine Angst vor Feedback!
Es ist übrigens gar nicht schlimm, auch ohne komplett ausgereifte Idee zu starten. Für den Anfang reicht auch ein Konzept, um Feedback einzuholen und eine Idee Schritt für Schritt zu konkretisieren. Es hilft aber ungemein, sich mit anderen erfahrenen Gründern zu unterhalten, um Inspiration zu sammeln und all die Vorschläge in eure noch vage Idee einfließen zu lassen. Mir hat der Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründer enorm geholfen, meine Vorhaben weiter zu festigen, denn jeder hat einen etwas anderen Blickwinkel auf das Produkt, den Markt, den Wettbewerb und das Geschäftsmodell.
Die Angst vor dem Ideen-Klau in diesem Stadium ist übrigens völlig normal – aber unbegründet. Wie gesagt: Es gibt eigentlich selten eine Idee, auf die nicht schon vorher jemand gekommen ist. Was zählt ist die Ausführung. Die Wahrscheinlichkeit ist extrem gering, dass sich jemand mit der gleichen Leidenschaft und Hingabe sofort voll in eine fremde Idee stürzt. Dafür gibt es zu viele Ideen und leider zu wenig Menschen, die ein eigenes Unternehmen gründen.
Das Glück will herausgefordert werden
Die Frage, ob man eine Start-up Idee suchen muss oder ob sie einen findet, ist also nicht eindeutig zu beantworten. Ich persönlich würde abschließend wohl eher behaupten, dass sie den Weg zur Gründerin oder zum Gründer findet. Man muss sein Glück aber schon selbst herausfordern, sich aktiv für eine Unternehmensgründung entscheiden und mit auch mit einer vagen Idee einfach mal loslegen. Das ursprüngliche Konzept wird sich dann sowieso über die Zeit weiterentwickeln. Und wenn man einer Statistik glauben mag, dann gab es nie einen besseren Zeitpunkt, um den Schritt in die unternehmerische Unabhängigkeit zu wagen: Viele erfolgreiche Businesses wurden tatsächlich in Krisenzeiten gestartet. 2020/2021 eignet sich also ganz besonders für eine Unternehmensgründung!
Über den Autor:
Hauke Windmüller ist Unternehmer und Mitgründer der Start-ups Familonet, onbyrd und Closely, die 2017 von Daimler übernommen wurden. Die Family-Locator-App Familonet verzeichnet weltweit 2 Millionen registrierte Nutzer. Im Corona-Jahr 2020 gründete Windmüller ein neues Start-up – das Kosmetik-Unternehmen FAVE Labs – und veröffentlichte gemeinsam mit dem Entrepreneurship-Professor Dr. Sebastian Pioch das Buch “Start-up Skills” mit Tipps und Anekdoten für angehende Gründerinnen und Gründer.
Dieser Artikel basiert auf einem Auszug aus dem ersten Kapitel "Aller Anfang ist schwer: Der Weg zur zündenden Idee”. Das Buch Start-up Skills ist Ende 2020 im Campus Verlag erschienen.