STRIVE-Redaktion

29. Juli 2024

9 Min. Lesedauer

Führen in Teilzeit geht - wenn 3 Dinge stimmen

Leadership funktioniert nur in Vollzeit? Vollkommener Quatsch, findet Mutter und Führungskraft Eva Boss. Im Interview erklärt sie, wie sie Care-Arbeit und Job verbindet, welche Dinge dafür essentiell sind und was sie anderen Eltern rät.
Führen in Teilzeit geht - wenn 3 Dinge stimmen
"Eine Führungsrolle zeichnet sich durch Qualität aus, nicht durch Quantität", sagt Eva Boss | Foto: Ralph Richter

STRIVE: Eva, Du bist Führungskraft und Mutter. Für viele geht das nicht zusammen. Die Folge: Die Frauen gehen in Teilzeit und raus aus der Führungsrolle. Du hast genau das nicht gemacht. Warum? 

 

Eva Boss: Ich empfinde meinen Beruf als wesentlichen Teil meiner Selbstverwirklichung. Nun bin ich zusätzlich auch Mama – und deswegen möchte ich meine Zeit natürlich sowohl meiner Familie als auch meiner Arbeit widmen. Ein Kind zu haben, erweitert dabei aus meiner Sicht die eigenen Führungskompetenzen. Kinder lernen zum Beispiel hauptsächlich durch Vorbilder und als Elternteil reflektiert man sein Verhalten stärker. Das wirkt sich positiv auf die Führungsqualität aus. Man möchte auch hier ein gutes Vorbild sein.

 

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Perspektivwechsel. Kinder brauchen Zeit, um zu verstehen, dass andere Menschen unterschiedliche Bedürfnisse haben. Wenn man sich in sie hineinversetzt und auf dieser Ebene mit ihnen kommuniziert, klappt das oft viel besser. Auch in der Führungsposition lohnt sich ein Perspektivwechsel, zum Beispiel um bei Konflikten bessere Lösungen zu finden.  

 

Dadurch, dass wir einen sicheren und guten Betreuungsplatz für unser Kind haben, sind für mich alle Voraussetzungen gegeben, damit ich meine Rolle weiterhin optimal ausfüllen und weiterentwickeln kann. 

 

 

Welche drei Dinge sind am wichtigsten, damit Führen in Teilzeit klappen kann? 

 

Man braucht auf jeden Fall eine große Motivation, einen starken Antrieb zur Selbstverwirklichung und Begeisterung für den Job. Außerdem braucht es einen klaren zeitlichen Rahmen, wann Arbeits- und wann Familienzeiten sind. 

 

Was ist der dritte Kernfaktor aus Deiner Sicht? 

 

Man sollte sich fragen, wo man das eigene Führungspotenzial am sinnvollsten entfalten kann und dementsprechend die Aufgaben neu priorisieren und strukturieren. Früher war ich zum Beispiel stark in der operativen Gestaltung involviert. Heute liegt mein Fokus verstärkt auf strategischen Tätigkeiten.

| Foto: Ralph Richter

 

Was sind No-Gos, damit Führen in Teilzeit funktioniert? 

 

Mangelnde Kommunikation ist ein absoluter Killer. Sowohl intern als auch extern ist eine klare und offene Kommunikation entscheidend. Außerdem ist es wichtig, bezüglich der eigenen Erwartungen und Arbeitszeiten realistisch zu bleiben und sich nicht zu überfordern. Darüber hinaus sind klare Zuständigkeiten unerlässlich, um Verwirrung und Doppelarbeit zu vermeiden. 

 

Manche Unternehmen behaupten trotzdem, Führung funktioniert in Teilzeit nicht. Was antwortest Du ihnen? 

 

Eine Führungsrolle zeichnet sich durch die Qualität der Arbeit aus, nicht durch die Quantität. Talente zu fördern und Zuständigkeiten klar zu verteilen, hilft jedem Unternehmen, effizienter und erfolgreicher zu werden. Auch in weniger als 40 Stunden kann viel erreicht werden, indem Aufgaben zum Beispiel umverteilt oder durch KI optimiert werden. Während Vollzeit-Führungskräfte oft viele Stunden mit Aufgaben verbringen, die delegiert werden können, konzentrieren sich Teilzeit-Leader auf das Wesentliche und können in der „anderen Tageshälfte“ ihre Fähigkeiten weiterentwickeln. 

 

Hat Deine Mutterrolle Deinen Führungsstil verändert? 

 

Absolut. Ein Kind zu haben, bedeutet, sich intensiv damit auseinanderzusetzen, wie man einen Menschen optimal in seiner Entwicklung begleitet. Diese Erfahrung hat meine Fähigkeiten im Umgang mit meinen Kolleg:innen gestärkt. Ich habe gemerkt, wie wichtig es ist, die Eigenschaften eines jeden Teammitglieds zu erkennen, zu fördern und als Vorteil zu sehen. Ich bin ein empathischer Mensch, aber ich bin noch gelassener, geduldiger und flexibler geworden, seit ich Mutter bin. 

 

Was rätst Du Frauen, die Führungskräfte sind und bald Mama werden oder es gerade geworden sind und kurz vor ihrer Rückkehr in den Job stehen?  

 

Legt klare Ziele und Prioritäten sowie Zeiten für euch selbst fest, die euch ein Wohlgefühl geben und euch nicht überfordern! Ebenfalls extrem wichtig: Eine offene Kommunikation mit dem Führungsteam über Ängste und Sorgen sowie Motivation und Ziele. Und: Priorisiert Aufgaben und nutzt Effizienztools wie zum Beispiel KI, um Aufgaben effizienter zu lösen.

 

 

 

Zur Person

Eva Boss (35) ist Architektin und Gesellschafterin im Innen:Architekturbüro bkp in Düsseldorf. Sie setzt sich für eine flexible Arbeitskultur ein, die sowohl beruflichen Erfolg als auch persönliche Erfüllung ermöglicht. 

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