STRIVE-Redaktion

20. Mai 2024

18 Min. Lesedauer

Christine hat gegründet - damit an Diamanten kein Blut mehr klebt

Diamonds are a girl’s best friend – die in den Ursprungsländern Existenzen und die Umwelt zerstören. Christine Marhofer will das ändern: Ihr Startup produziert nachhaltige Diamanten. Wie das funktioniert und warum sie sogar günstiger sind als die aus der Mine.
Christine hat gegründet - damit an Diamanten kein Blut mehr klebt
Christine Marhofer: „Wir müssen nicht auf Diamanten verzichten, nur auf die Nachhaltigkeit achten" | Foto: Nevermined

Diamanten sind sowas wie der Inbegriff von Luxus. Schon Marylin Monroe liebte sie. Und auch heute noch funkelt der kristallisierte Kohlenstoff mondän an vielen Ringfingern. Doch was da so verlockend glitzert, hat oft eine düstere Vergangenheit: Immer wieder kommt es zu verheerenden Minenunglücken und Todesfällen. Die Arbeiter:innen, die die Kristalle zum Beispiel in Botswana oder dem Kongo, aber auch in Südafrika, Australien oder Russland aus tiefen Gesteinsschichten schürfen, tun das häufig unter menschenfeindlichen Bedingungen, werden krank durch den Kontakt mit Schwermetallen. Und auch die Umwelt leidet unter dem Geschäft. Wälder werden gerodet, gigantische Erdmassen umgegraben, Grundwasser verseucht.

Diamanten ohne Leid und Umweltzerstörung

Seit einigen Jahren versuchen Unternehmen deshalb, Diamanten zu produzieren, die weniger Elend verursachen. Die Lösung: Diamanten aus dem Labor. Eine der ersten, die das in Deutschland macht, ist Christine Marhofer. Mit „Nevermined“ und „mandana Jewellery“ hat sie 2021 gleich zwei Startups gegründet, die Luxusschmuck aus Diamanten für Mensch und Umwelt nachhaltiger machen wollen – ohne dabei auf das glamouröse Marylin-Monroe-Gefühl zu verzichten. Bei STRIVE Online erzählt die 45-Jährige, was dahintersteckt, warum Labor-Diamanten sogar günstiger sind und was ihre Motivation war, zu gründen.

  

Christine, Diamanten aus dem Labor – klingt abgefahren. Wie funktioniert das? 

 

Mit Hilfe von speziellen Maschinen, in denen Diamanten im sogenannten CVD-Verfahren entstehen. CVD steht für „Chemical Vapor Deposition“, zu Deutsch „chemische Gasphasenabscheidung“. Allein diese Begriffe zeigen schon: Der Prozess ist ziemlich kompliziert.

 

Was wir – vereinfacht gesagt – machen: Wir verwenden kleine, dünne Diamantplättchen, sogenannte „Seeds”, die wir in einem Vakuum zu Diamanten heranwachsen lassen. Das funktioniert, indem sich Kohlenstoffteilchen auf der Oberfläche absetzen und sich Atom für Atom und Schicht für Schicht aufbauen. Die Rezepturen dafür haben wir bei Nevermined” eigens entwickelt, worauf wir sehr stolz sind. 

 

Das Verfahren an sich ist nicht neu. Schon vor „Nevermined“ gab es sogenannte Lab-grown-Diamanten. Was ist Euer USP? 

 

Labordiamanten gibt es tatsächlich schon seit Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts, allerdings wurden sie damals vornehmlich für die Industrie verwendet. Für Schmuckdiamanten benötigt man eine höhere Qualität gemäß der 4C, anhand derer man Diamanten bewertet, also Carat, Cut, Color und Clarity. Seit einigen Jahren erreichen manche Hersteller darin hohe Qualitäten.

 

| Foto: Nevermined

Als ich mein Schmucklabel gründen wollte, stieß ich jedoch auf ein Problem: Die Produktionsbedingungen der Hersteller, meist aus dem asiatischen Raum, blieben oft so undurchsichtig, dass ich nicht sichergehen konnte, ob sie wirklich die ethischen und ökologischen Vorteile mitbringen würden, die Labordiamanten ermöglichen. Deshalb haben mein Mann und ich entschieden, den ganz großen Schritt zu wagen: Wir haben zusätzlich zu mandana Jewellery” unsere eigene Diamantproduktion Nevermined” in Essen aufgebaut – als einer der ersten Hersteller in Deutschland. 

"Für Umsatzzahlen ist es noch zu früh, aber unsere Ziele bis 2030 sind neunstellig."

 

Die Diamanten-Industrie ist eine alte. Was ist Eure Strategie, um Euch als junges Startup durchzusetzen – und wie viel Umsatz habt Ihr schon gemacht? 

 

Was uns – neben der Tatsache, einer der ersten Diamantproduzenten in Deutschland zu sein – unterscheidet, ist unsere hohe Werteorientierung. In allem, was wir tun, steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt. Beispielsweise produzieren wir mit 100 Prozent Ökostrom, verarbeiten ausschließlich recyceltes Gold, unsere Schmuck-Cases „wachsen nach“, da sie aus einer veganen Leder-Alternative auf Oliven-Basis bestehen, das Garn unserer Stoffbänder wurde aus PET-Flaschen gefertigt und selbst für die Prägung unserer Schmuck-Cases haben wir auf eine verantwortungsvolle Heißprägeveredelung geachtet... Dass wir dabei immer eine herausragende Qualität abliefern, ist für uns eine Selbstverständlichkeit. Für Umsatzzahlen ist es noch etwas zu früh, weil wir unseren Shop ja erst diesen April eröffnet haben. Aber so viel können wir verraten: Unsere Ziele bis 2030 sind neunstellig und damit hoch gesteckt. 

 

Was fasziniert Dich an Diamanten so sehr? Man könnte ja auch einfach sagen, man trägt und kauft überhaupt keine Diamanten… 

 

Stimmt. Ich glaube, gerade im Luxus-Segment ist es wichtig, die richtige Balance zwischen „sich etwas gönnen“, Verzicht und verantwortungsbewussten Alternativen zu finden. Aber Diamanten begeistern die Menschen nicht ohne Grund: Ihr Lichterspiel ist schlichtweg faszinierend, unglaublich schön und die Symbolik der Ewigkeit und Unzerstörbarkeit ist kaum besser auszudrücken als mit einem Diamanten. Deswegen lautet mein Weg: Lasst uns nicht auf Diamanten verzichten, weil wir es nicht müssen. Indem wir uns für die verantwortungsbewusste, faire, ökologisch und ethisch saubere Variante entscheiden.   

| Foto: Nevermined

 

Gibt es Eigenschaften, in denen sich natürliche Diamanten von denen aus dem Labor unterscheiden?

 

Das ist gerade das Spannende: nein. Lab-grown-Diamanten und Minendiamanten sind physikalisch und chemisch identisch. Es sind beides „echte“ Diamanten. Für Lai:innen ist der Unterschied mit bloßem Auge nicht zu sehen, sogar Expert:innen benötigen hierfür spezielle Werkzeuge. Identifizieren lässt sich der Lab-grown-Diamant nur über die Lasergravur an der Rundiste, also auf dem Rand des Steins. 

 

Was bedeutet die Produktion für den Preis: Was kosten Diamanten aus dem Labor und was kostet ein vergleichbarer Minendiamant?

 

Im Labor gewachsene Diamanten können günstiger angeboten werden als Minendiamanten – trotz gleicher Qualität. Unser Motto lautet: Luxus sollte nicht die Welt kosten. Bei uns gibt es 1-Karäter für unter 1.000 Euro, manchmal sogar auch unter 600 Euro. Bei Minendiamanten beginnen die Preise für eine (sehr) gute Qualität bei um die 7.400 Euro für ein Karat und reichen bei exzellenter Qualität über 20.000 Euro. 

 

Wie kommt dieser Preisunterschied zustande?

 

Das hat mehrere Gründe: Die Labordiamanten entsprechen fast immer der höchsten Reinheitskategorie, die in der Natur eher selten vorkommt. Gerade mal 20 bis 30 Prozent der Minendiamanten weisen die für die Schmuckindustrie nötige Qualität auf. Währenddessen kann man mit dem CVD-Verfahren nahezu 100 Prozent der Steine für exklusiven Schmuck anbieten. Dies wirkt sich sehr positiv auf den Preis für Endverbrauchende aus. 

 

Während der hohe Preis der Minendiamanten oft durch die Verknappung und Seltenheit verargumentiert wird, geht es uns um das Gegenteil: Wir wollen zur Demokratisierung von Luxus beitragen, indem wir echte Diamanten höchster Qualität anbieten – ohne dass für einen Karat 200 Tonnen Erde umgewälzt, Regenwälder abgeholzt oder Flüsse umgeleitet werden müssen. 

"Wir wollen zur Demokratisierung von Luxus beitragen."

 

Wie geht die traditionelle Diamantenwirtschaft mit Mitbewerbenden wie Euch um? Ihr Geschäft ist in vieler Hinsicht ja auch heute noch ein schmutziges...

 

Die Branche ist aufgrund des Lab-grown-Themas gerade ziemlich in Bewegung. Dafür haben wir volles Verständnis, weil schlicht so viele Argumente für Labordiamanten sprechen. Auch wenn wir diese klar benennen, legen wir es aber nicht darauf an, uns offensiv gegen das konservative Diamantgeschäft zu stellen. Wir machen mit unseren Diamanten einfach ein Angebot auf Augenhöhe. Am Ende entscheiden immer die Kund:innen. 

 

Woher kommt Dein Engagement für eine nachhaltigere Wirtschaft?

 

Ich bin Mutter dreier Kinder. Es ist mir eine Herzensangelegenheit, etwas Bleibendes zu kreieren, das einen materiellen und emotionalen Wert hat. Schnell stand für mich fest: Wenn ich etwas von Dauer kreieren will, muss ich mit den wertbeständigsten und langlebigsten Materialien der Welt arbeiten. Gold ist mit das wertvollste und der Diamant das härteste Material. Diese Elemente habe ich zusammengebracht und aus ihnen etwas Nachhaltiges geschaffen.

 

Gleichzeitig will ich das Verständnis von Wert neu definieren: gemäß einem Zeitgeist, in dem nichts wertvoller ist als der Erhalt unseres Planeten und seiner Bewohnenden. Denn nur, wenn wir Nachhaltigkeit und unser Verantwortungsbewusstsein in den Mittelpunkt stellen, können wir unseren Kindern den Weg in die Zukunft bereiten, die sie verdienen. 

 

Wolltest Du schon immer gründen? 

Ich wusste schon immer, dass ich mit meinem beruflichen Handeln einen Unterschied machen will. Aber der Funke, der das Gründerinnen-Feuer erst so richtig in mir entfacht hat, war der Lab-grown-Diamant. 

 

Zur Person 

Christine Marhofer (45) ist Gründerin und CEO von „Nevermined“ und „mandana Jewellery“. Ihre Mission: Für Mensch und Natur nachhaltigere Diamanten produzieren. Die gelernte Textilbetriebswirtin lebt mit ihrem Mann und ihren drei Kindern in Essen. 

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