Über die Wechseljahre wurde lange kaum gesprochen. Dabei bewegen sie nicht nur unzählige Frauen, auch als Wirtschaftsfaktor sind sie relevant, sagt Dr. Judith Bildau. Hier erklärt die Ärztin, warum wir die Wechseljahre unterschätzen und wie Frauen, ihren Körper bei der Hormonumstellung unterstützen können.
Dr. Judith Bildau
vor 18 Tagen
Wir unterschätzen die Wechseljahre – in dreifacher Hinsicht

Die Wechseljahre sind gerade in aller Munde. Viele Medien haben sie für sich entdeckt – und auch gesellschaftlich scheinen sie aus der Tabu-Ecke gezerrt worden zu sein. Ja, tatsächlich gezerrt, weil viel zu lange waren sie genau dort versteckt. Hitzewallungen und Schlafstörungen sind schließlich alles andere als sexy – und gefühlt leitet diese wichtige hormonelle Umstellungsphase den körperlichen und geistigen Verfall ein. Haben wir zumindest viel zu lange geglaubt.
Dass das natürlich völliger Unsinn ist und wir die Wechseljahre völlig neu denken müssen, zeigen uns tagtäglich Frauen, die mittendrin sind und voll im Leben stehen. Und viel wichtiger: Sich rundum wohl in ihrer Haut fühlen. Allen voran prominente Beispiele wie Halle Berry, Naomi Watts und Kate Winslet.
Wechseljahre müssen nicht "durchgestanden" werden
Was diese Frauen eint? Sie geben sich nicht damit zufrieden, dass die Wechseljahre ein ganz natürlicher Prozess sind und sie deshalb, egal wie groß der Leidensdruck ist, „durchgestanden“ werden müssen. Sie tauschen sich aus und fordern nichts Geringeres als medizinisch fundierte Aufklärung und Begleitung. Mit weniger geben sie sich nicht zufrieden. Zu Recht, wie ich als Gynäkologin finde. Aber fangen wir doch einmal ganz von vorne an:
Was sind die Wechseljahre überhaupt?
Aus medizinischer Sicht beschreiben sie die Phase, in der die letzten Eizellen „aufgebraucht“ werden und sich der Spiegel der weiblichen Hormone dadurch langsam verändert.
Rein statistisch beginnen sie mit Mitte 40 und dauern bis 51 Jahre. Dann haben durchschnittlich die meisten Frauen ihre letzte Menstruation. Die nennt man Menopause. Zwölf Monate nach der Menopause beginnt dann die Postmenopause. Die Perimenopause dauert also in der Regel nicht nur ein paar Monate, sondern Jahre. Jahre, in denen die Hormone nicht einfach langsam weniger werden, sondern, gelinde gesagt, ein wahres Hormonkarussell entstehen kann.
Was in den Wechseljahren im Körper passiert
Vor allem das Östrogen schwankt mitunter tagtäglich und die Frauen wissen oft wortwörtlich nicht, wo oben und unten ist. Neben den klassischen und bekannten Symptomen, wie
- Hitzewallungen
- Schlafstörungen und
- Gewichtszunahme
kann es zu starken Knochen- und Gelenkschmerzen kommen, zu vermehrtem Herzstolpern und Herzrasen sowie kognitiven Beschwerden, wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen, und „brain fog“, also Gehirnnebel.

Der sich verändernde Progesteronspiegel kann für innere Unruhe, Gereiztheit und schmerzende Brüste verantwortlich sein und, on top, ebenfalls dafür sorgen, dass nachts an Schlaf nicht zu denken ist. In den Wechseljahren steigt zudem übrigens das Risiko, an einer Depression zu erkranken um das 2,5-Fache.
Viele unterschätzen die Wechseljahre
Klar, alles ganz natürlich, schließlich sind schon Milliarden Frauen in die Peri- und die Postmenopause gekommen. Hört man immer wieder als Argument. Warum das gleichbedeutend damit sein soll, dass Frauen keine adäquate Hilfe bekommen sollen, ist dennoch nicht nachvollziehbar. Schließlich wissen wir es heute doch besser!
Zum Beispiel, dass der Wegfall der Hormone der „Brandbeschleuniger“ für chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen (übrigens Todesursache Nr. 1 bei Frauen), Osteoporose und Demenz ist. Und eine Hormonersatztherapie eben doch nicht, wie jahrzehntelang geglaubt, einfach so Krebs verursacht.
Und obendrein: Noch nie wurden Frauen so alt, wie sie es heute werden! Ganz banal ausgedrückt: Viele Frauen haben die Wechseljahre in den letzten Jahrhunderten gar nicht erlebt. Schlicht und ergreifend deshalb, weil sie früher gestorben sind. Heutzutage werden Frauen rein statistisch knapp über 83 Jahre alt. Wenn wir das überschlagen, bedeutet das, dass sie fast die Hälfte ihres Lebens in der Peri- und Postmenopause sind!
Wechseljahre für die Wirtschaft hochrelevant
Die MenoSupport-Umfrage des Instituts für Angewandte Forschung Berlin konnte zeigen, dass die Perimenopause nicht nur ein privates Problem der Frauen, sondern ein gesellschaftliches und sogar wirtschaftliches ist. Um nur eine Zahl zu nennen: 19,4 Prozent aller Frauen über 55 Jahren denkt aufgrund der hormonellen Beschwerden daran, früher in Rente zu gehen. In Zeiten des Fachkräftemangels und des demographischen Wandels eine Katastrophe.
Höchste Zeit also, in jeder Hinsicht, dass wir die Frauen in ihren besten Jahren aktiv bestärken und fördern. Und sie natürlich auch medizinisch unterstützen.
Leistungsfähig trotz Wechseljahren
Dazu braucht es allen voran eine fundierte Aufklärung für das, was jetzt wichtig ist:
- eine angepasste Ernährungsweise
- eine ausreichende Mikronährstoffzufuhr
- tägliche Bewegung
- gezielten Muskelaufbau und
- das Wissen, dass Beschwerden nicht ausgehalten werden müssen, sondern dass es nachgewiesenermaßen wirksame Phytopharmaka gibt, die helfen, und
- die fehlenden Hormone, individuell angepasst, ersetzt werden können.
Zur Person
Dr. Judith Bildau ist Fachärztin für Frauenheilkunde und Geburtsmedizin sowie medizinische Beraterin von www.wexxeljahre.de. Ihr Ziel: Medizin einfach, verständlich und unterhaltsam erklären. Auf Linkedin und Instagram folgen ihr insgesamt fast 100.000 Menschen. Bildau lebt und arbeitet in Rom und in der Toskana.