Gute Führungskräfte sind klar, selbstreflektiert und können exzellent kommunizieren. Doch sind sie auch herausragend freundlich? Unbedingt, findet Psychologin und Unternehmerin Nora Blum. Hier erklärt sie, warum – und wieso sie sich als Chefin dennoch lange selbst verstellte.
Nora Blum
10. März 2025
Wie freundlich darf ich als Führungskraft sein?

Ich bin großgeworden mit einem traditionellen Bild von Führung. Es war für mich mit Rücksichtslosigkeit und Härte verbunden. Mein erster Arbeitgeber – eine Startupschmiede, in der sich der Gründer als “aggressivster Mann des Internets” bezeichnete – verstärkte dieses Bild. Als ich wenige Jahre später plötzlich selbst Führungskraft von 100 Mitarbeitenden wurde, kollidierte mein Bild des "harten, erfolgreichen Chefs” allerdings schnell mit meinem sanftmütigen Charakter und dem Wunsch, es anders zu machen.
Meine Freundlichkeit hatte mir bis dahin viele Türen geöffnet. Gleichzeitig bekam ich immer wieder das Feedback, ich solle nicht “zu freundlich” sein und lieber nicht “so viel lächeln”. Diese Erfahrungen ließen mich zweifeln: Wie freundlich darf ich als Führungskraft sein? Wie oft muss ich auf den Tisch hauen, um ernst genommen zu werden? Ab wann ist es besser, sich zu verstellen als freundlich und authentisch auf Mitarbeitende zu reagieren?
Mut zur Freundlichkeit
Mittlerweile weiß ich, dass sich viele – gerade weibliche – Führungskräfte ähnliche Fragen stellen. Und dass Freundlichkeit im Job zwar häufig mit Konfliktscheue verwechselt wird, in Wahrheit aber eine Stärke ist.
Freundliche Führung bedeutet für mich, emphatisch und wohlwollend mit Mitarbeitenden und sich selbst umzugehen. Die Vorteile einer solchen Arbeitskultur sind wissenschaftlich gut belegt: Wenn Menschen im Job respektvoll behandelt werden und sich psychologisch sicher fühlen, erbringen sie nachweislich bessere Leistungen, sind kreativer und weniger wechselbereit.
Umgekehrt zeigen Studien, dass selbst kleine Unfreundlichkeiten unsere Produktivität negativ beeinflussen. Schon wenn wir mitbekommen, dass jemand anderes schlecht behandelt wird, schneiden wir in Leistungstests schlechter ab.
Doch hat Freundlichkeit in der Führung Grenzen?
Was ist zum Beispiel, wenn unser Gegenüber der "alten Schule" angehört und Freundlichkeit als Schwäche missversteht? Wenn man sich in einem Raum voller Alpha-Männer behaupten muss, die nur Härte als Zeichen von Professionalität akzeptieren?
Früher vertrat ich die Meinung, dass man solche Spiele manchmal einfach "mitspielen muss”. Entsprechend verstellte ich mich in bestimmten Arbeitskontexten, lächelte weniger, wollte bewusst härter wirken. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob man das wirklich "muss". Ist es nicht eher so, dass jede:r anhand der eigenen Kosten-Nutzen-Rechnung entscheiden muss, wie sie oder er wann auftreten will? Ich verurteile niemanden, der sich in gewissen Kontexten verstellt.
Und gleichzeitig denke ich: Wie können wir ein System verändern, wenn wir das "alte“ immer wieder mitspielen und damit reproduzieren? Ich glaube, es ist Zeit für neue Vorbilder und dafür, zu zeigen, dass Führung klar und trotzdem freundlich sein kann.
Zur Person
Nora Blum (33) ist Psychologin und Gründerin der Online-Therapieplattform Selfapy. Seit ihrem Exit 2023 forscht sie zu Freundlichkeit und Stressbewältigung – und hat dazu jetzt ein Buch geschrieben: "Radikale Freundlichkeit" erscheint am 12. März im Kailash-Verlag.