Mein Job als Chief of Staff ist es, dafür zu sorgen, dass Blocker aus dem Weg geräumt werden (oder bestenfalls gar nicht entstehen) und die Strippen im Hintergrund in der Hand zu halten. Gleichzeitig stehe ich ständig im Austausch mit allen Stakeholder:innen, um das Beste aus der Marke Lyngual herauszuholen.
Was hat Sie fachlich am meisten erstaunt?
Am meisten erstaunt hat mich, wie vielschichtig der Übersetzungsmarkt ist. Ich selbst hatte keine Ahnung, dass die Übersetzungsindustrie mit 50 Mrd. und einem durchschnittlichen Wachstum von 6 % pro Jahr riesig ist, als ich vor sechs Jahren per Zufall in die Branche gestolpert bin. Das liegt sicherlich daran, dass das meiste Volumen im Geschäftskundenbereich liegt und sie für den Ottonormalverbraucher meist unsichtbar bleibt.
Jede Firma, die international tätig ist, braucht irgendwann Übersetzungen, sei es im Marketing, Legal, HR, Produktentwicklung – die Liste ist endlos. Oftmals wird dem Thema kaum Bedeutung beigemessen und bestenfalls improvisiert, obwohl ein cleveres Übersetzungsmanagement die Expansion in neue Märkte massiv erleichtern könnte. Selbst die Großen sind davor nicht gefeit: Erst vor kurzem hat es Amazon den Markteintritt in Schweden aufgrund schlechter Übersetzungen richtig fies verhagelt. Ein Shitstorm ungeahnten Ausmaßes war die Folge.
Was war die größte Herausforderung, die Sie dabei überwinden mussten?
Die größte Herausforderung ist es, die Leute davon zu überzeugen, offen für Neues zu sein. Gerade in Zeiten von Corona ist es besonders schwer, potentielle Kunden aus ihrer Komfortzone zu holen. Jeder versucht krampfhaft, althergebrachte Abläufe aufrecht zu erhalten und ist deutlich seltener bereit, eine neue Lösung wie Lyngual zu testen. Das ist umso bedauerlicher, da wir mit viel Hirnschmalz, Herz und über 20 Jahren Branchenerfahrung eine Plattform geschaffen haben, die unzählige Vorteile mit sich bringt. Das Schöne ist, dass alle Nutzer, die bisher bereit waren, sich auf Lyngual einzulassen, begeistert sind. Wir sind auf dem richtigen Weg!
Was hat Sie auf Ihrem Weg bislang immer weitergebracht?
Ich wurde mit dem Credo erzogen, den Menschen in meinem Umfeld immer zuvorkommend und wohlwollend zu begegnen. Natürlich ist es manchmal frustrierend zu beobachten, wie in unserer Gesellschaft zunehmend eine Ellbogenmentalität um sich greift. Allerdings bin ich gerade in der aktuellen Phase überzeugt, dass die Welt bei all dem Misstrauen und der Negativität da draußen eine Portion Freundlichkeit gut gebrauchen kann.
Was hat Sie immer behindert?
Angst ist eine sehr mächtige Emotion. Angst zu scheitern, Angst Fehler zu machen, Angst nicht gleich alles perfekt zu machen und sich möglicherweise zum Gespött von Nutzern, Investoren, ja der ganzen Welt zu machen. Bullshit! Wir sind alle nur Menschen. Sicherlich spielt die mangelnde Fehlerkultur in Deutschland eine Rolle, mit der auch ich aufgewachsen bin. Man ist darauf programmiert, abzuliefern. In den USA zum Beispiel ist das Scheitern automatisch mit der Chance auf einen neuen Versuch konnotiert. Aufstehen, Krone zurechtrücken und weiter geht’s. Mit der Einstellung versuche ich jetzt auch durchs Leben zu gehen.
Was muss eingetreten sein, damit Sie sagen Sie waren erfolgreich?
Erfolg hat für mich zwei Dimensionen: Natürlich ist es mir wichtig, mit Lyngual eine erfolgreiche Marke zu schaffen. Jeder, der an Übersetzungen denkt, soll irgendwann automatisch an Lyngual denken.
Für mich persönlich ist der ökonomische Erfolg jedoch nicht alles. Ich möchte etwas aufbauen, mit dem man der Gesellschaft etwas zurückgeben kann. Social Responsibility wird aus meiner Sicht in vielen deutschen Unternehmen noch immer viel zu sehr vernachlässigt. Ich habe viele Ideen, will jetzt aber noch nicht zu viel verraten.
Was werten Sie als Ihren größten Erfolg?
Für mich ist es mein größter Erfolg, mit einem jungen Start-up wie Lyngual einer weltweiten Pandemie zu trotzen. Als wir Anfang 2020 gegründet haben, war Corona noch weit entfernt und wir hatten keine Ahnung was uns erwartet. Die Lernkurve, die ich seither durchlaufen haben, ist mit keinem Gold der Welt aufzuwiegen. Dass wir es außerdem geschafft haben, ein Team zu formen, das mit vollem Einsatz an der Vision von Lyngual arbeitet, erfüllt mich mit großem Stolz.
Was als Ihren größten Misserfolg?
Natürlich gibt es eine lange Liste an Dingen, die ich heute rückblickend anders machen würde. Ich kann Gründer:innen nur raten: Frühzeitig rausgehen, Feedback einholen, draus lernen, iterieren. Dabei ist es ganz wichtig, den eigenen Anspruch an Perfektion zurückstellen. Das führt nur in eine Sackgasse und hat wie in unserem Fall dazu geführt, dass wir wertvolle Zeit haben verstreichen lassen.
Was ist Ihre Vision für Ihr Unternehmen?
Die Vision mit Lyngual ist es, die weltweit erste Anlaufstelle für alles rund um professionelle Übersetzung zu werden. Wir wollen Kund:innen und Übersetzer:innen eine Plattform bieten, auf der sie all ihre Aufträge verwalten und abwickeln können – all das zu fairen und transparenten Konditionen. Gleichzeitig ist es uns auch ein Anliegen, eine Community aufzubauen, in der News und Fachwissen rund um die Übersetzungsbranche geteilt und diskutiert wird.
Wenn Sie einen Tag lang an den Schalthebeln der Macht sitzen würden (Beispiel Kanzler:in), was würden Sie tun?
Ich würde die Bildungspolitik in den Fokus nehmen. Der Zustand von Deutschlands Schulen ist ein Armutszeugnis. Wir sind es den Generationen nach uns schuldig, jetzt zügig aufzuholen. Die Versäumnisse der letzten Jahrzehnte zeigen sich gerade jetzt während des Homeschoolings auf frappierende Weise. Das würde ich als erstes angehen:
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Regelmäßige Anpassung und Modernisierung der Lehrpläne für alle Klassenstufen.
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Ausstattung der Schulen mit modernen, digitalen Lernmitteln und regelmäßige Updates.
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Schulung der Lehrer in der Verwendung von digitalen Medien für den Unterricht.
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Einführung eines Schulfachs, das Kindern den verantwortungsvollen Umgang mit digitalen Medien beibringt.